Aktuelles
Bernd-Peter Arnold 5.11.2018
„Ein Interview ist kein Verhör.“
Die journalistische Form des Interviews spielt in den Medien, ins besondere in den elektronischen Medien Radio und Fernsehen eine wachsende Rolle. Umso erstaunlicher ist, dass viele Interviews auch in den öffentlich-rechtlich verfassten Medien journalistische Professionalität vermissen lassen.
Ziel eines journalistischen Interviews ist, dem Adressaten authentische Informationen zu liefern. Interviewerin oder Interviewer sollen durch professionelles Fragen dem Hörer oder Zuschauer Informationen zu einem Thema oder zur Person des Interviewpartners bieten. Interviews verkommen aber – zumindest in Deutschland – zunehmend zur journalistischen Selbstdarstellung. Fehlendes Geschick, die richtigen Fragen zu stellen, werden ersetzt durch die persönliche Meinung des Interviewers, die aber in einem Interview keine Rolle zu spielen hat. Der „Star“ des Interviews ist der Interviewte, nicht jedoch der Interviewer.
Ziel eines Interviews ist auch nicht, den Interviewten „vorzuführen.“ Kritische Fragen: ja! Verhör oder gar Anklage: nein!
Der in der Rubrik „Hintergrund“ veröffentlichte Aufsatz „Ein Interview ist kein Verhör“ liefert zusätzliche Argumente zum Thema.
Er ist 2018 in dem Buch „Die Mediengesellschaft und ihre Opfer – Grenzfälle journalistischer Ethik des frühen 21. Jahrhunderts.“ von Nikolaus Jackob erschienen.
Die „Medienmacher“
Der Verfasser ist/war Journalistik-Professor und hat in den klassischen Medien lange praktisch mitgearbeitet, auch als Ausbilder. Er ist Mitglied des Deutschen Journalistenverbandes.
Immer wieder fiel und fällt ihm auf, dass die journalistischen Kolleginnen und Kollegen sich als „Medienmacher“ verstehen; bis in Tagungstitel hinein. Die Zeitungs-, Hörfunk- und Fernsehpublika wollen in aller Regel aber die eigene Meinung nicht gemacht bekommen, sondern sich selber bilden. Das Publikum will medial, politisch und intellektuell sein eigener Souverän sein. Das wird ihm vom Grundgesetz ja auch zugesprochen.
Was bleibt dann für einen vernünftigen Journalismus heute übrig? Fakten zu vermitteln, plausible Erkenntnisse abzuleiten und Ursachen und wahrscheinliche Folgen darzustellen. Meinungen über alles und jedes finden wir ja schon überreichlich in den sogenannten sozialen Medien.
Das Überangebot an Meinungen/Kommentaren z.B. in manchen Zeitungen ist wohl auch darin begründet, dass sich Journalisten (vor allem in Deutschland) häufig als Volkserzieher verstehen. Dabei spielt auch mit, dass in der journalistischen Szene gerne gegen Objektivität als regulative Leitidee polemisiert und stattdessen Subjektivität postuliert wird. Dann ist der Weg zu platter Parteilichkeit und zu medialer Machtpolitik nicht mehr weit. Und zum Vertrauensverlust beim Publikum auch nicht.